Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Staats- und Bürgerkunde - S. 62

1910 - Wittenberg : Herrosé
62 eine Reihe von Beschränkungen waren, die der Polizeigewall einen weitgehenden Einfluß auf die Versammlungs- und Vereinstätigkeit gestattete, ist durch das Reichsvereinsgesetz die Freiheit bedeutend erweitert. Alle landesgesetzlichen Beschränkungen sind aufgehoben und das Bereinsrecht auch den Frauen eingeräumt. Beschränkungen erleiden nur noch die Veranstaltungen, welche mit einer Gefahr- für Leben und Gesundheit der Teilnehmer verknüpft sind. Auf- gelöst werden nur solche Vereine, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft. Vereine, welche eine Einwirkung auf politische Angelegen- heiten bezwecken, müssen einen Vorstand und eine Satzung haben. Mitglieder des Vorstandes und die Satzungen sind innerhalb 14 Tagen nach der Gründung der Polizeibehörde einzureichen, die eine Bescheinigung darüber erteilt. Ebenso sind alle Änderungen der Statuten anzuzeigen. Satzungen und Änderungen müssen in deutscher Sprache abgefaßt sein. Wenn in Wahlzeiten eine Gruppe von Leuten zusammen- tritt zur Förderung der Wahl, so ist das kein politischer Verein. Jede politische Versammlung muß entweder 24 Stunden vorher der Polizeiverwaltung angezeigt, oder durch öffentliche Anzeige in der Zeitung oder durch Anschlag bekanntgegeben sein. Zeit und Ort der Versammlung sind genau zu bestimmen. Besprechungen zu Wahlzwecken oder von Arbeitern zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen fallen nicht unter die Anzeigepflicht. Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Auf- züge auf öffentlichen Plätzen oder Straßen bedürfen der Ge- nehmigung der Polizeibehörde. Sie darf nur versagt werden, wenn aus der Abhaltung der Versammlung oder der Veran- staltung des Aufzuges Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten ist. Der Versammlungsleiter hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen, er kann die Versammlung auflösen. Das Tragen von Waffen in solchen Versammlungen oder Aufzügen ist im allgemeinen verboten. Die Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen. Rur in den zweisprachigen Landesteilen, in denen die nichtdeutsche Bevölkerung mehr als 60 °/rt der Bewohner beträgt, kann bis 1928 (20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) der Mit- gebrauch der anderen Sprache gestattet werden. Der Veranstalter ist jedoch verpflichtet, dreimal 24 Stunden vor Beginn der Polizei- behörde Anzeige zu machen und dabei anzugeben, in welcher Sprache verhandelt wird. Die Polizei darf in diese Versammlungen einen Beauftragten entsenden, der sich dem Leiter als solcher vorzustellen hat. Ihm muß ein angemessener Platz eingeräumt werden. Der Beauftragte kann die Versammlung unter folgenden Gründen auflösen:

2. Staats- und Bürgerkunde - S. 144

1910 - Wittenberg : Herrosé
144 bereiten, welche noch mit Steinen das Korn zu Mehl zerreiben, kennen kein Handwerk. So ist selbst jetzt der Farmer noch sein eigener Handwerker, und der weit abgelegene Bauer bäckt das Brot für eigenen Bedarf noch immer selbst. Nur da, wo sich feste Niederlassungen gebildet haben, die Bedürfnisse mannigfaltiger, der Geschmack und die Gewohnheiten verfeinert und wo ein ein- zelner durch größere ausschließliche Beschäftigung auf bestimmtem Gebiete zum Meister seiner Arbeit wird. lassen sich die allerersten Anfänge des Handwerks erkennen. Karl der Große machte mit seiner organisatorischen Befähi- gung die Königshöfe zu Musteranstalten und gab in ihnen auch dem Handwerk gute Unterkunft. Hier finden wir zuerst die Ansammlung tüchtiger Handwerker für jeden einzelnen Beruf, unter einem vorgesetzten Meister vereinigt; z. B. die Bäcker, welche die Semmeln für den Bedarf des Königshofes backen. In den Dokumenten der Abtei Corvei aus dem 9. Jahrhundert finden wir ein Register der für dieselbe beschäftigten Handwerker, wo bereits herrschaftliche Bäcker angeführt sind. Diese damals unfreien und hörigen Leute, über deren Arbeits- kraft vor allem der Arbeitsherr verfügte, durften ihr Handwerk, nachdem sie ihre Verpflichtung für den Brotherrn erfüllt hatten, auch öffentlich ausüben und für jede andere Kundschaft arbeiten. Nach und nach zogen freie Handwerker zu, und es entstand die Handwerkerzunft. Ihren Ausgang nahm dieselbe mit dem Auf- kommen der Städte, mit ihrer Entwicklung und ihrem Gedeihen. Die Zünfte verdanken ihre Größe den Städten und die Städte den Zünften. Das Handwerk brauchte die Konzentration der Kund- schaft. die Märkte und Messen, die in Städten und festen Ansied- lungen abgehalten wurden, wo die Volksmassen zu bestimmten Zeiten zusammenströmten, und zu denen nach und nach auch die fremden Kaufleute erschienen, um ihre Ware gegen einheimische Erzeugnisse zu vertauschen. Der Handwerker ließ sich deshalb auch auf jenen Ansiedlungen, welche Marktrecht hatten, mit Vorliebe nieder. Wenn die Handwerker im Anfang auch nicht zu Zünften zu- sammengekommen waren, so konnte der Zustand voller Gewerbe- freiheit nur so lange Bestand haben, als die Städte in der Zu- nahme an Einwohnern gleichen Schritt hielten. Als sich an dem einzelnen Platz genügend Handwerker angesiedelt hatten, waren die eingesessenen Handwerker darauf bedacht, ihr Arbeitsfeld zu sichern und weiteren Zuzug fernzuhalten. Der Selbsterhaltungs- trieb verlangte gebieterisch den Zusammenschluß. Nicht nur die Handwerker allein, sondern auch die Konsumenten hatten daran ein Interesse. Die Zunftvereinigung, welche eine wilde Kon- kurrenz verhüten sollte, gab dem Konsumenten die Sicherheit, daß diese Konkurrenz nicht auf Kosten der Qualität der zu liefernden Arbeit geschehe. Je größer und geschlossener die Vereinigungen der Handwerker wurden, desto bedeutender war ihr Einfluß bei

3. Staats- und Bürgerkunde - S. 336

1910 - Wittenberg : Herrosé
336 die eigene Einnahmensumme von 14 Millionen des Jahres 1903 auf 17 des Jahres 1906 und 20 des Jahres 1907 gesteigert. 111. Und damit kommt der dritte Gesichtspunkt wirtschaftlicher Würdigung der Kolonien zur Geltung, nämlich der, daß d i e Kolonien auch Abnehmer werden für die in- dù st r i e l l e n Erzeugnisse des M u t t e r l a n d e s , wie dieses es ist für die landwirtschaftlichen und bergbaulichen Er- zeugnisse seiner Kolonien. Die Wichtigkeit dieses Gesichtspunktes tritt klar hervor, wenn man in Betracht zieht, daß die außerordent- lich entwickelte Industrie des Deutschen Reiches notwendig auf den Export angewiesen ist: wird ihr dieser unterbunden, so ist sie dem Ruin und sind Hunderttausende von Arbeitern der Brotlosigkeit überantwortet. Im Konkurrenzkämpfe mit den übrigen europäischen Ländern, sowie den Bereinigten Staaten von Nordamerika bezüglich des Absatzes ihrer Erzeugnisse nach dem Auslande wird das Absatz- gebiet immer kleiner, nachdem Länder, wie Japan und Indien, welche bisher die besten Abnehmer von Jndustrieerzeugnissen von Europa waren, sich anschicken, zunächst den eigenen Bedarf aus eigener Arbeit zu decken, und England und Frankreich mit ihren großen Kolonien Abkommen auf gegenseitige Bevorzugung ihrer Erzeugnisse getroffen haben. Es ist eine Existenzfrage für das Deutsche Reich zu nennen, sich einen Markt zu sichern, welcher ein sicheres Absatzgebiet für einen ansehnlichen Teil seiner industriellen Erzeugnisse zu werden vermag, und dieser Markt liegt in seinen Kolonien. Erforderlich hierzu ist aber, daß wir die Bevölkerung der Kolonien, die weit unter dem Stande der wirklichen Ernährungs- fühigkeit ist, der Zahl und Bildungsstufe nach heben, daß wir sie schaffend und kaufkräftig machen, und daß wir ihre Lebenshaltung auf eine höhere Stufe bringen. Was die Zahl der Bevölkerung anbelangt, so befindet sich die Besiedelung mit Weißen noch in ihren Anfängen, die eingeborene ist aber durch Krieg und Sklavensagden, sowie durch sonstige über- mäßige Sterblichkeit in der Zunahme behindert gewesen. Der Herstellung von Frieden und Ordnung nach Eroberung des Landes muß sanitäre Berbesserung durch Bekämpfung der ungeheuren Kindersterblichkeit, der eingeschleppten Seuchen und vorhandenen Epidemien auf dem Fuße nachfolgen: Hand in Hand damit muß die wirtschaftliche Eroberung gehen, die durch den Bau von Eisen- bahnen die Produktion der Eingeborenen lebhafter gestaltet, und die Eingeborenen selbst zu Käufern mutterländischer Erzeugnisse macht. Endlich muß mit ihr Hand in Hand gehen die sittliche Eroberung durch die Missionen, welche den Sinn für den Segen der Arbeit, der Nächstenliebe und der Gesittung verbreitet. Das sind alles Dinge, in welchen Deutschland schon im eigenen Lande so

4. Staats- und Bürgerkunde - S. 315

1910 - Wittenberg : Herrosé
315 bar, betrug doch die Gesamteinfuhr 1900 nicht weniger als 291000 t, woran als der den deutschen Markt beherrschende Hauptlieferant Britisch-Ostindien mit 210000 t beteiligt war. Nach beendetem Mittagsmahle ruft die Pflicht zu neuer Arbeit. Erst der Abend gibt uns dem Hause und der Familie wieder und läßt Ruhe und Erholung von neuem zu ihrem Rechte kommen. Wir nehmen ein sehr beliebtes Abendbrot zu uns, Hering und Kartoffeln nebst einer Tasse Tee. Der Hering ist ein unmittelbares Geschenk des Meeres; er stellt eines der un- entbehrlichsten Nahrungsmittel der ärmeren Volksklassen Deutsch- lands dar und ersetzt diesen in großem Umfange den Fleischgenuß. Im Jahre 1900 betrug die Einfuhr Deutschlands an Heringen rund 1139000 Faß im Geldwerte von 38 Millionen Mark. So viel mußten wir leider noch an das Ausland für dieses Volks- nahrungsmittel bezahlen. Wir können uns den Hering kaum noch aus der Volksnahrung fortdenken, ein so alltäglicher, beliebter Bestandteil ist er geworden. Leider ist unsere deutsche Herings- fischerei noch nicht annähernd imstande, den vollen Bedarf der deutschen Nachfrage zu decken. Auch hierbei find wir vielmehr in hohem Maße auf andere Völker angewiesen. Demgegenüber ist der Tee, der unser Abendgetränk darstellen soll, immer noch vorzugsweise ein Genußmittel der bessergestellten Klassen, aber auch seine Verbreitung schreitet rasch vor und bricht sich mehr und mehr in allen Schichten der Bevölkerung Bahn. Das Abendbrot ist eingenommen, und bald kommt die Zeit der Nachtruhe heran. Die Petroleumlampe verbreitet eine an- genehme Helligkeit im Zimmer. Wie war es doch zur Zeit unserer Altvorderen so anders! Damals konnte man die Abendstunden fast gar nicht für geistigen Genuß und Belehrung ausnutzen. Mit dem Petroleum hat aber ein Kulturbringer allerersten Ranges, ein machtvolles Förderungsmittel allgemeiner Geistesbildung seinen Einzug gehalten; und wieder war es das Meer, das diesen Ein- zug ermöglichte. Drüben, jenseits des Weltmeeres, in ^Nord- amerika, fließen vor allem die Quellen, die uns den wunderbaren Leuchtstoff liefern, und von dort bezieht auch Deutschland durch das Verkehrsmittel der überseeischen Schiffahrt den weitaus größten Teil seines Bedarfs an Petroleum, im Jahre 1900 rund 826 000 t für 71 Millionen Mark bet einer Gesamteinfuhr von 990 000 t im Werte von 84 Millionen Mark. So dient also der Seeverkehr mittels Zufuhr des Petroleums im höchsten Maße der Verbreitung von Bildung und Kultur. Während wir uns aber anschicken, uns in unser Buch zu vertiefen, meldet sich gleichzeitig noch ein Bedürfnis bei uns an, dein die meisten erwachsenen Männer heutzutage mehr oder minder unterworfen zu sein pflegen: es verlangt uns, zu rauchen. Unser Pfeiflein ist billig, und sein Inhalt wird wahrscheinlich märkischer oder pfälzischer Erde oder sonst einer vaterländischen Gegend ent- stammen; es wäre aber um die Wohlfeilheit vermutlich schlecht

5. Staats- und Bürgerkunde - S. 1

1910 - Wittenberg : Herrosé
A. Die staatlichen Gemeinschaften. Ihre Verfaffung und Verwaltung. I. Die Familie. 1. Die Familie als Grundlage des Staats. Der kleinste, aber wichtigste Gesellschaftskreis ist die Familie. Sie hat für die Gemütsbildung des heranwachsenden Bürgers grundlegende Bedeutung. Sie ist der Ureis, in den der junge Erdenbürger hineingeboren wird. Hier nimmt er seine ersten Eindrücke auf, die am tiefsten im Gemüte haften, weil sie sich am häufigsten wiederholen und mit den Vorgängen seines Lebens in enge Verbindung treten. So entwickelt sich die Liebe zur eilgern Heimat im Herzen, zuerst als dunkle Ahnung, aber mit großer Macht, dann als klares Bewußtsein. Den größten Einfluß in der Familie haben die umgebenden Personen, in erster Linie Mutter und Vater. Von Natur hilflos, erfährt das Uind von ihnen für lange Zeit Pflege und Er- ziehung. Teils als tätiger Teilnehmer, teils als Zuschauer tritt es zu allen Personen des Hauses in bestimmte Verhältnisse und macht sich bestimmte Bilder von ihrem gegenseitigen Verhältnis. Das ist sehr wichtig; denn diese gewonnene Anschauung über- trägt der Mensch auf alle weiteren Gesellschaftskreise und Lebens- verhältnisse. Der Geist, welcher im Familienleben herrscht, die Ordnung oder Unordnung, die Stellung nach außen, zu Fremden, zu den größeren Lebensgemeinschaften, die Art der Beurteilung der Welt wird von dem heranwachsenden Bürger unbewußt in sein Denken, Fühlen und Streben aufgenommen. Dadurch erhält sein ganzes Denken schon von vornherein eine ganz bestimmte Richtung. Hier wird zugleich der nationale Charakter dem Uinde aufgeprägt, der nächst der Sprache hauptsächlich auf der Art der Familie beruht. Die tägliche Beschäftigung der Eltern wird ihm früh vertraut. Es ahmt dieselbe in seinen Spielen nach. Bei größerem Heran- gewachsenem wird das Uind wohl zur Hilfe bei den elterlichen Bades ohn. Staats- and Bürgerkunde. 1

6. Staats- und Bürgerkunde - S. 332

1910 - Wittenberg : Herrosé
332 England und seinen Kolonien für fast 1 Milliarde Alt'., so werden die Engländer nicht zögern, den Zollsatz so hoch zu schrauben, daß unsere Industrie abgeschnitten wird. Ähnlich sieht es in den Vereinigten Staaten aus. Nordamerika hat eine ungeheure Entwicklung hinter sich. Es ist für uns die Hauptlieferantin von Baumwolle, Petroleum usw. Es hat alle Rohstoffe in vorzüglicher Güte und reichlicher Menge. Durch seine Trusts schraubt es die Preise z. B. für Baumwolle so hoch. dasi wir nicht mehr mit Gewinn arbeiten können. Außerdem hat es eine Industrietütigkeit geschaffen, die nicht allein für den eigenen Markt fabriziert, sondern auch ausführt, besonders nach Mittel- und Südamerika, wie nach Ostasien. Die Frachten nach diesen Ländern sind für Amerika viel geringer, sie haben die Roh- stoffe Kohle. Eisen, Baumwolle viel wohlfeiler, daher können sie viel billiger liefern. Die Folge muß für uns sein in der Zukunft, dasi wir auch aus diesen Gebieten hinausgedrängt werden. Dazu kommt im fernen Osten noch ein neuer Mitbewerber, das sind die Japaner, die in kurzer Zeit nicht nur europäische Kriegskunst, sondern auch europäischen Gewerbebetrieb mit Maschinen gelernt haben. Sie alle engen den Kreis ihres Absatzgebietes einander ein. Der Volksfreund und Staatsmann sinnen auf Abhilfe zur rechten Zeit. um allmählich für die entgleitenden Gebiete andere ebenso konsumfähige einsetzen zu können. Das ist bittere Notwendigkeit im Interesse der Zukunft unseres deutschen Volkes. „Ein großes Glück ist es für uns, dasi vor unserem Volke ein weites Arbeitsfeld liegt, an Fläche das Vaterland fünfmal über- treffend, das ihm zwar viel Mütz.e und Schweiß kosten, aber tüch- tiger Arbeit auch guten Gewinn bringen und denen, die nach uns kommen, die Zukunft sichern wird. Das sind unsere Kolonien. Sie sollen die Volksmassen aufnehmen, die alljährlich jenseits des Ozeans, meist in der Union, eine neue Heimat suchen, und in frem- dem Volkstum aufgehen und so für unser Volkstum verloren sind. Sie werden Deutschland in dem Bezüge von Nahrungsmitteln wieder unabhängig machen vom Ausland und dem deutschen Volke Ersatz bieten für die Länder, wohin andere Völker, die ihnen näherliegen, billiger verkaufen können. Sie sollen Käufer deut- scher Waren sein. wenn einmal England sich und seine Kolonien fremder Einfuhr verschließen sollte." Nach A. Schröder: Die Kolonien, als notwendige Ergänzung unserer nationalen Wirtschaft. B.: Kamerun u. s. Hinterland. 125. Worin besteht der Wert unserer Kolonien? Die Frage nach dem Werte unserer Kolonien für die Wohl- fahrt des deutschen Mutterlandes muß heutzutage aus ganz an- deren Gesichtspunkten beantwortet werden, als zur Zeit der Ent-

7. Staats- und Bürgerkunde - S. 333

1910 - Wittenberg : Herrosé
— 333 — deckung des Seeweges nach Indien, der Entdeckung des Festlandes von Amerika und der Gründung der ersten Kolonialreiche. Da- mals suchten die Kolonialstaaten Portugal und Spanien nur Be- reicherung ihrer Staatskasse durch Gewinnung von Edelmetall — der Wert der Kolonien wurde nur nach dem Gewinne an solchen, d. h. nach dem baren Überschüsse des Gewonnenen über die Aus- lagen des Mutterstaates bemessen — oder durch Beteiligung an privaten Ausbeutungsunternehmungen; ob die Kolonien selbst mit Land und Leuten dabei zugrunde gingen, kam hierbei gar nicht in Betracht. Heutzutage geht das Streben für die Staatskasse nicht weiter, als die für die Kolonie gemachten Auslagen wenigstens zum größten Teil wieder zurückzubekommen und die Kolonien finanziell auf eigene Füße zu stellen, so daß sie ihrerseits ihre Aufwendungen selbst aufbringen können, und dem Mutterstaate keine Auslagen verursachen. Indirekt bleibt dann mit der wachsenden Entwicklung jener dem Mutterstaate dennnoch ein reicher Nutzen. I. Die Zunahme der Bevölkerung des Deutschen Reiches, mit welcher der Ertrag seiner Ernährungsquellen nicht Schritt zu halten vermag, führt dazu, daß alljährlich viele Tausende — in früheren Jahren bis zu 200 000 Köpfe, zurzeit 20—25 000 — aus- wandern, meist tüchtige Leute, in Deutschland erzogen und heran- gebildet, die im fremden Lande nicht nur mit ihrer Persönlichkeit, sondern auch mit ihrem Besitze, ihrer Arbeitskraft und Kaufkraft dem Mutterlande unwiederbringlich verloren sind. Es ist daher von höchster Bedeutung, einen möglichst großen Teil dieser auswandernden Werte dem Heimatlande dadurch zu erhalten, daß sie sich in einem Gebiete niederlassen, das ihnen freie Betätigung ihres Schaffensdranges gewährt und sie gleichzeitig dem Deutschen Reiche erhält. Dies setzt voraus, daß das Deutsche Reich Ansiedler- kolonien besitze von solchem Umfange, solchen klimatischen und Bodenverhältnissen, daß dort eine zahlreiche weiße Bevölkerung wohnen, in eigener Arbeit produzieren und es dabei wirtschaftlich vorwärtsbringen könne. Diese Anforderungen vermag vor allem Deutsch-Süd- w e st a f r i k a zu erfüllen, das südtropisch gelegen in seinem mitt- leren und südlichen Teil zu Rindvieh-, Pferde-, Schaf-, Ziegen- und Straußenzucht ebenso vortrefflich geeignet ist, während das nörd- liche Südwestafrika sich auch zur Feld-, Garten- und Weinkültur eignet und überdies im ganzen Lande reiche Kupfererzlager dein Bergbau Gewinn versprechen. Hauptaufgabe der Verwaltung muß deshalb sein, den Ansiedlern die Niederlassung und den Auf- enthalt zu erleichtern, ihnen die Sicherheit des Lebens und Eigen-

8. Staats- und Bürgerkunde - S. 310

1910 - Wittenberg : Herrosé
310 Hamburg wiesen im Jahre 1896 im Bergleich mit dem Durch- schnitt der Jahre 1871 bis 1880 eine Verminderung von 60 Millionen, oder auf, während in derselben Zeit die Zu- fuhren von Übersee sich um 7oo Millionen oder 350% hoben. In den fünfziger Jahren betrug die Ausfuhr von Hamburg nach England % des Gesamthandels, 1896 nur noch V4- Dies beruht darauf, daß in Deutschland immer kräftiger solche Industrien sich entwickelt haben, die ihre Rohmaterialien von überseeischen Ländern beziehen, wie andererseits die Aufmerksamkeit sich immer mehr darauf gerichtet hat, den in Deutschland verfertigten Fabrikaten die überseeischen Märkte zu erschließen. Einst mußte man im Außenhandel überwiegend mit fremdem Capital und fremden schiffen arbeiten, weshalb dem Auslande auch der Löwenanteil am Gewinn zufloß. Heute ist es anders geworden. Milliarden deutschen Kapitals arbeiten im Auslande, teils durch dortige Unternehmungen, teils durch Darlehen, die Deutschland fremden Kapitalsuchern gegeben hat. 5oo bis 6oo Millionen fließen jährlich ins Land durch die Kanäle des deutschen Besitzes fremder Wertpapiere, nicht geringer dürften sich die Ein- nahmen aus den überseeischen Handelsgeschäften für den deutschen Handel und die deutsche Industrie belaufen. Wir haben drüben Faktoreien und Pflanzungen, Fabriken und Bergwerke, Warenlager, Handlungshäuser und Banken. Die Erträge der Seefischerei, einst sehr gering, haben sich in zwei Jahrzehnten vielleicht auf 20 Millionen erhöht. Wir haben begonnen, Kolonien zu bearbeiten, wir haben angefangen, eine Marine zu begründen. Die Grundlagen zum weitern Fortschreiten nach dieser Richtung sind gegeben, und es wäre töricht, wollten wir unsern Außenhandel, der für den Kauf- irtcmn, mehr aber noch für die deutsche Industrie so gewinnbringend ist. einzuschränken suchen. Ihm verdankt es der Arbeiter vielfach, daß seine Beschäftigung, auch wenn die Preise sinken, fortdauern kann, und daß die Löhne nicht herabgedrückt zu werden brauchen. Wenn es erforderlich ist, daß unserer Landwirtschaft geholfen wird, so wäre nichts verkehrter, als dies dadurch zu versuchen, daß man eine der Einnahmequellen der deutschen Volkswirtschaft, den Außenhandel, verstopft. Gerade dadurch, daß wir unser Kapital in Ländern arbeiten lassen, wo es höhere Erträge bringt als bei uns, können wir am ersten in die Lage kommen, die heimische Landwirtschaft zu stützen, den heimischen Arbeiterstand fortgesetzt zu heben. Aber wir dürfen uns auch nicht von außen schädigen lassen, sondern müssen im Wettbewerb mit den übrigen Nationen an- dauernd eine vorteilhafte Stellung auf dem Weltmarkt zu ge- winnen suchen. In der Mitte Europas gelegen, Kreuzungspunkt wichtiger und wesentlicher Verkehrsadern, kann Deutschland aus dem Kreise seiner jetzigen Entwicklung nicht heraustreten; es muß mitgehen oder untergehen. Es muß für seine rasch wachsende Bevölkerung sorgen und sich den Zutritt zu solchen Gebieten

9. Staats- und Bürgerkunde - S. 401

1910 - Wittenberg : Herrosé
401 ersetzt werden. Ringsum sind wir voll starken Staaten einge- schlossen und iir viel höherein Grade der Gefahr ausgesetzt, in kriegerische Verwicklungen zu geraten als irgendein anderes Volk Europas. Unser deutsches Volk hat mit allen Nachbarn Kämpfe auszufechten gehabt. Wir gerieten aber auch oft in Mitleiden- schaft, wenn andere Völker sich schlugen. Deutschland ist infolge seiner zentralen Lage und seiner offenen Grenzen durch Jahr- hunderte hindurch der Kriegsschauplatz für ganz Europa gewesen. Kein Land hat so viele Schlachtörter als unser Vaterland. „Im weiten Umkreis Europas g-bt es kein Volk, von den Spaniern bis zu den Mongolen, von den Finnen bis zu den Mauren, das sich nicht auf deutschem Boden geschlagen hätte." Fast alle großen Kriege: der Dreißigjährige, der Siebenjährige Krieg, die Raub- kriege Ludwig Xiv., die Napoleonischen Kriege, sind ganz oder zum Teil in Deutschland ausgefochten worden. Man hat daher Deutschland auch „das Schlachtfeld Europas" genannt. Durch diese Kriege ist der Wohlstand Deutschlands sehr arg geschädigt worden. Also: Deutschland muß unter allen Umständen militärisch stark und den Nachbarn gewachsen sein. Unsere geographische Lage be- wahrt uns vor Erschlaffung, macht uns wachsam und zwingt uns zu den größten Kraftanstrengungen. Bismarck sagte einmal mit Recht: „Gott hat üns in die Lage versetzt, in der wir durch unsere Nachbarn daran verhindert werden, irgendwie in Versumpfung und Trägheit zu geraten. Die französisch-russische Pression, in die wir genommen werden, zwingt uns zum Zusammenhalten und wird unsere Zusammenhangskraft auch durch Zusammendrücken erheblich steigern, so daß wir in dieselbe Lage der Unzerreißbarkeit kommen, die fast allen anderen Nationen eigentümlich ist. und die uns bis jetzt noch fehlt." Für unser deutsches Vaterland liegt in seiner mittleren, nach- barreichen Lage sowohl Schwäche als auch Kraft. Deutschland b e st e h t nur. wenn e s st a r k i st, ein schwacher Staat würde dem konzentrischen Drucke erliegen. Und Deutschland kann die Vorteile der zentralen Lage nur nützen, wenn es stark ist. Daher braucht Deutschland ein starkes, schlagfertiges Heer, jederzeit bereit und stark genug, unberechtigte Eingriffe in deutsche Wirtschasts- und Herrschaftsgebiete mit Nachdruck zurückzuweisen. Darunst ist unsere Armee nicht nur nicht überflüssig, wie eine Partei immer behauptet, sondern sie ist eine bittere Notwendig- keit zur Erhaltung des Bestandes, des Wohlstandes und des Glückes unseres geliebten Vaterlandes. Nach Verschiedene». 154. Die Wehrpflicht. „Oh. welche Lust. Soldat zu sein", heißt es in einem fröh- lichen Liede. Die Waffenfreudigkeit steckt unserem germanischen Volke im Blute. Die Liebe zum Schwerte ist uns von den alten Bodesohn, Sinais- imd Biirgcrlmndc. 26

10. Staats- und Bürgerkunde - S. 423

1910 - Wittenberg : Herrosé
423 Das Meer und seine wesentlichsten Verkehrsstraßen können also doch geschlossen werden, sei es mit Gewalt, sei es durch Gesetze (Blockade — Navigationsakte). Beides hat nur der zu dulden, der sich nicht zu wehren vermag. Wehrmacht zur See bedarf also jeder, der an dem Seeverkehr interessiert ist. Schließlich ist jede wachsende Nation darauf angewiesen, sei es in überseeischen Kolonien, sei es in überseeischen, auch halb- zivilisierten Staaten Erwerb und Unterkunft für ihren Überschuß an Menschen und Kapital zu suchen, und diese Vorwerke unseres Wirtschaftslebens haben Anspruch auf den Schutz des Heimatlan- des. Nur eine Kriegsflotte kann diesen Schutz gewähren, nur sie kann dem Wort unserer diplomatischen Vertreter Nachdruck ver- leihen. „Ein Kriegsschiff ist der beste Gesandte." Was würde es für Folgen haben, wenn wir zur See machtlos wären? Wir brauchen dazu nur den Hinweis auf die Geschichte. Das Wachsen unseres Wohlstandes, das niemand bestreiten kann, ist genau so alt, als unser Deutsches Reich, das uns von jahrhunderte- langer Ohnmacht erlöst hat. Und dieses Reich konnte nur mit Waffenmacht geschaffen, kann nur mit Waffenmacht erhalten werden. Genau ebenso steht es mit der Macht zur See! Wenn wir zur See nicht mächtig sind, dann sind wir auch dort nur geduldet, wie wir es vorlängst auch zu Lande waren und können jederzeit ausgeschlossen werden, wie wir es zu Lande vor 100 Jahren erlebt haben. Und was wäre die Folge davon? Könnten wir uns denn nicht ruhig mit dem bescheiden, was uns dann noch bleibt? — Das reicht nicht zum Leben! — Die Folge wäre allgemeines Elend! Nicht nur. daß alles verschwinden würde, was unser Leben schmückt, daß die Pflege der allgemeinen Wohlfahrt, die heute den schönsten Schmuck unseres Vaterlandes bildet, verkümmern müßte, nein: Das allgemeine Elend! Wie die Hungersnot die großen Massen zuerst und am schwersten trifft, so träfe auch dieses allgemeine Elend zuerst die große Masse, und dann langsam aber sicher alle. Den Arbeitern, die die tausenderlei Artikel anfertigen, die unser Handel über die Meere führt, ihnen würde das fehlen, was sie brauchen: die Arbeit und ihr Lohn. Unsere Kriegsmacht zu Lande wie zur See ist die einzig wirk- sanre Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Sie verhütet die Not. das ist wirksamer als das Almosen, das die Not dürftig lindert. Und noch etwas: es gibt auch eine Ehre! Sie ist kein eitler Wahn, auch sie gehört zur Wohlfahrt. Willst du in der Welt nur geduldet, nach Belieben auch ge-
   bis 10 von 893 weiter»  »»
893 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 893 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 1
1 46
2 5
3 0
4 333
5 3
6 22
7 27
8 0
9 15
10 116
11 237
12 5
13 2
14 78
15 5
16 0
17 43
18 0
19 6
20 32
21 20
22 189
23 84
24 5
25 24
26 39
27 16
28 2
29 8
30 2
31 32
32 1
33 6
34 47
35 9
36 3
37 84
38 3
39 10
40 23
41 10
42 20
43 19
44 5
45 474
46 21
47 6
48 37
49 41

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 23
1 12
2 67
3 152
4 64
5 0
6 8
7 16
8 11
9 22
10 2
11 9
12 5
13 7
14 174
15 2
16 56
17 129
18 2
19 0
20 29
21 25
22 47
23 15
24 3
25 198
26 51
27 11
28 11
29 2
30 40
31 12
32 6
33 29
34 9
35 40
36 13
37 2
38 1
39 3
40 1
41 127
42 27
43 459
44 5
45 54
46 4
47 104
48 8
49 1
50 12
51 0
52 88
53 25
54 13
55 47
56 21
57 0
58 6
59 5
60 10
61 15
62 0
63 29
64 25
65 47
66 47
67 19
68 31
69 16
70 14
71 37
72 19
73 2
74 47
75 6
76 9
77 57
78 33
79 11
80 2
81 22
82 9
83 19
84 3
85 3
86 7
87 1
88 27
89 98
90 6
91 4
92 457
93 0
94 11
95 166
96 7
97 34
98 213
99 1

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 24
1 39
2 24
3 95
4 42
5 326
6 28
7 312
8 72
9 637
10 37
11 28
12 74
13 14
14 1
15 199
16 256
17 67
18 36
19 175
20 40
21 181
22 132
23 88
24 67
25 13
26 50
27 221
28 6
29 143
30 84
31 103
32 6
33 365
34 21
35 65
36 12
37 113
38 11
39 381
40 69
41 3
42 2
43 49
44 119
45 94
46 42
47 79
48 103
49 119
50 54
51 77
52 226
53 35
54 305
55 94
56 32
57 51
58 63
59 286
60 61
61 29
62 298
63 108
64 148
65 44
66 14
67 82
68 35
69 29
70 18
71 46
72 16
73 220
74 223
75 143
76 22
77 87
78 92
79 59
80 135
81 405
82 14
83 3
84 4
85 493
86 8
87 87
88 154
89 21
90 10
91 311
92 64
93 136
94 5
95 7
96 5
97 21
98 547
99 121
100 81
101 11
102 69
103 514
104 67
105 3
106 13
107 28
108 193
109 85
110 124
111 26
112 8
113 35
114 23
115 74
116 25
117 26
118 38
119 29
120 90
121 43
122 20
123 8
124 74
125 15
126 121
127 893
128 168
129 131
130 14
131 139
132 95
133 40
134 195
135 15
136 719
137 11
138 179
139 7
140 110
141 15
142 40
143 72
144 81
145 75
146 109
147 18
148 92
149 96
150 127
151 33
152 73
153 36
154 94
155 90
156 66
157 24
158 42
159 38
160 30
161 9
162 129
163 177
164 45
165 142
166 175
167 39
168 7
169 10
170 93
171 55
172 62
173 550
174 84
175 395
176 370
177 619
178 44
179 132
180 36
181 212
182 463
183 457
184 145
185 39
186 133
187 138
188 52
189 528
190 46
191 200
192 165
193 45
194 35
195 5
196 30
197 254
198 155
199 40